Su Yu Hsin

 
 
 

Wet Mechanics of Seeing

29. Mai – 24. Juli 2022

Im Oberlichtsaal der Kunsthalle zeigt Su Yu Hsin (*1989 in Taichung, lebt und arbeitet in Berlin) die zwei Videoinstallationen frame of reference I und frame of reference II, 2020 für die Biennale in Taipeh als Kollaboration mit dem Deutschen Geoforschungszentrum GFZ in Potsdam und dem NCTU Disaster Prevention and Water Environment Research Center in Hsinchu entstanden. Es handelt sich zwar um eigenständige Arbeiten, doch beschäftigen sich beide mit der Frage, wie sich ein Realitätsausschnitt zu einem mithilfe von technischen Messgeräten davon erstellten Datensatz verhält. In filmischen Collagen stellt Su Yu Hsin gefilmte Realitätsausschnitte immer wieder aus den gesammelten Daten entstandenen Visualisierungen und Animationen gegenüber, und verkreuzt derart die Referenzsysteme Feldstudie, Datensammlung und Interpretation. frame of reference ist eine Parabel über naturwissenschaftliche Beobachtung, Parameter der Visualisierung und Grenzen wie Möglichkeiten einer daraus abgeleiteten Erkenntnis. Die Naturwissenschaft beruft sich stets auf Daten und Fakten, sinnvolle Handlungsanweisungen ergeben sich jedoch auch hier nur durch die anschliessende Interpretation. Und die Auswahl der Interpretationsparameter ist als Festlegung eines Betrachtungsstandpunktes zu verstehen, der immer auch anders sein könnte.
Ein auf den ersten Blick vollkommen anderes Referenzsystem stellt im Seitenlichtsaal die Videoinstallation Tidal Variations (2021) bereit, eine Gemeinschaftsproduktion von Su Yu Hsin mit der australischen Tänzerin und Choreografin Angela Goh auf Einladung der Oper in Sydney. Entlang des Mediums Licht verbindet sich darin das Motiv des Fensters mit dem Element Wasser. Der kontinuierlich sich bewegende Ozean dringt durch die grossen Scheiben in den Innenraum der Oper und erscheint als Metapher für das Datenkonglomerat des Internets, in welches wir durch Bildschirmfenster ebenfalls Einblick erhalten.
Die Brücke zwischen frame of reference und Tidal Variations schlagen die beiden C-Prints fluvial bedrock I & II (2021) und die Skulptur Meshed Waves (2022), die alle am Computer modellierte Topografien zeigen. Die Rohdaten für fluvial bedrock I & II stammen dabei wie in frame of reference I vom Fluss Liwu im Taroko Nationalpark, jene für Meshed Waves von einer frei zugänglichen bathymetrischen Karte des Mittelmeers. So ähnlich sich die visuellen Resultate hier sind, so verschieden sind die Verfahren, auf denen sie beruhen: Während das (über Wasser liegende) Flussbett mithilfe der Fotogrammetrie, einem Verfahren zur Errechnung einer dreidimensionalen Topografie aus zweidimensionalen Fotografien, rekonstruiert wird, so ermittelt man unter Wasser liegendes Gelände mit Sonartechnologie, beruhend auf der Messung von ausgesandten und vom Gelände reflektierten Schallwellen.

Die Ausstellung wird unterstützt von National Culture and Arts Foundation, Taiwan.