Trevor Paglen

 
 
 

Deep State

28. Mai – 9. Juli 2017

Noch bevor die Bespitzelung von Bürgern mit der von Edward Snowden ausgelösten NSA-Affäre ins Zentrum des öffentlichen Interesses rückte, begann sich Trevor Paglen (*1974 in Camp Springs, lebt und arbeitet in Berlin) mit der Tätigkeit von staatlichen Überwachungsdiensten zu beschäftigen. Unter dem Titel Deep Statezeigt er in der Kunsthalle Winterthur ein Konvolut von Arbeiten, die über ein Jahrzehnt hinweg entstanden sind. Sie zeichnen sich im Gegensatz zu Beiträgen vieler anderer Künstler dadurch aus, dass sie keine inhaltliche Analyse oder einen gesellschaftskritischen Kommentar in den Vordergrund stellen, sondern sich zunächst einmal nur auf die Beobachtung der uns beobachtenden Nachrichtendienste konzentrieren.
Jede Beobachtung setzt einen Beobachter voraus, und egal ob Mensch oder technische Apparatur, deren Anwesenheit hinterlässt stets sichtbare Spuren: Seien es Drohnen, die in dramatischen Wolkenformationen zu insektengrossen Punkten schrumpfen, seien es Abhorch- und Übermittlungsstationen, die teilweise weiträumig abgesperrt werden; seien es dicke Datenkabel in den Ozeanen, die irgendwo an Land kommen müssen, seien es Lichtspuren von Spionagesatelliten am Himmel. Genau hier setzt Trevor Paglen an: Mithilfe von Recherchen im Internet und logischer Kombination von dort frei zugänglicher Information identifiziert er diese Spuren und hält sie in seinen Werken fest.
Neben der Inanspruchnahme von technischen Apparaturen, die ihre Tätigkeit möglichst unsichtbar verrichten sollen, zeigen die Nachrichtendienste gleichzeitig einen paradoxen Hang zur Selbstdarstellung. Abgesehen von frei zirkulierenden skurrilen Namensgebungen und heraldischen Erkennungszeichen betrifft dies vor allem Gebäude, die mit futuristischen Design und riesigen Ausmassen geradezu Aufmerksamkeit einfordern. Trevor Paglens Arbeiten lassen weder Rückschlüsse darüber zu, wer oder was jeweils beobachtet wird, noch wozu. Aber sie sagen mit einer ziemlich selbstbewussten Geste: Wir wissen, dass ihr uns beobachtet und wir beobachten euch dabei. Ausnahmeerscheinung.

Oliver Kielmayer