Filmvorführung organisiert mit Etienne Eisele
Stell dir ein Kippbild vor. Die merkwürdige Zeichnung einer Ente, die sich in ein Kaninchen verwandelt, je nachdem, wie dein Blick sie streift. Versuche dich auf den Moment des Kippens zu konzentrieren, wenn sich die Konturen trüben und sich für einen Augenblick deine Wahrnehmung destabilisiert. Damit Wahrnehmung flexibel bleibt, ist sie durch sogenannte Instabilitätspunkte organisiert. Kommt es zu einer Unentschiedenheit, zu einem fortlaufenden Wechsel zwischen diesen Punkten, entsteht eine dynamische Art der Wahrnehmung – die sogenannte Multistabilität.
Eine verzerrte Spiegelung der New Yorker Skyline. Bummelnde Menschen im Zeitraffer, Blick aus dem fahrenden Auto. Ein Laptopbildschirm, der sich in Pixel zersetzt. Beobachtungen durch ein Mikroskop geraten in Brand. In ihren Video-Arbeiten evozieren die Künstlerinnen Milena Langer und Marie Menken immer wieder multistabile Momente. Dabei nutzen sie die Kamera als Instrument, um Bilder aus ihrem Gleichgewicht zu locken, zum Flimmern zu bringen und in teils losen Narrativen neu zusammenzusetzen. Die Linse ermöglicht einen differenzierten Blick, um Perspektiven zu schärfen – Mal nicht aus dieser fleischigen Masse, die wir Körper nennen. Dennoch fehlt den Beobachtungen der beiden Künstlerinnen keineswegs das Körperliche. Ihre manuelle Bedienung macht die Kamera intim spürbar, als operierten sie eine Sonde, die sich ihren Weg bahnt. Sensibel, gestisch, entfalten sie auch eine gewisse Brutalität.
Langer und Menken entlarven die Wahrnehmung als stetigen Prozess des Werdens, der sich nicht einfach in einer einzigen Perspektive auflösen lässt – ein Kippbild aus Überlagerungen und Relationen, immer dazwischen.
Die Kunsthalle Winterthur freut sich, am 11. April 2025 ein Screening mit ausgewählten Videoarbeiten von Milena Langer und Marie Menken – die für Langer eine wichtige Referenz ist – zu präsentieren.
*
Milena Langer (*1997, lebt in Berlin, DE) arbeitet mit dem Medium Film und ihren Trägern. Sie hatte Einzelausstellungen bei ABC, Hamburg in 2022 und Plymouth Rock, Zürich in 2020 und nahm an Gruppenausstellungen u.a. bei FOR, Basel; Hamlet, Zürich; Centre d’Art Contemporaine, Genf und Longtang, Zürich teil sowie an Screenings bei Studiologue X Binz 39, Zürich, Cabaret Voltaire, Zürich.
Marie Menken (1909–1970) war eine amerikanische Experimentalfilmerin und Künstlerin und gilt als Pionierin des Avantgarde-Kinos. Sie studierte Malerei an der New York School of Fine and Industrial Arts sowie an der Art Students League. Ab den 1940er Jahren wandte sie sich dem Film zu und entwickelte einen Stil, der oft als Vorläufer des späteren Underground-Kinos betrachtet wird.
*
Unsere aktuelle Ausstellung Vera Palme, Diversion bleibt vor, während und nach der Vorführung offen.