Bignia Wehrli

 
 
 

Den Horizont in der Hand halten

25. Februar – 22. April 2018

Der Formfindungsprozess von Bignia Wehrli (*1979 in Uster, lebt und arbeitet in Berlin und Sternenberg) beginnt häufig mit der Konzeption eines Experiments, zu dessen Durchführung spezifische, extra anzufertigende Apparaturen benötigt werden. Die im Rahmen des Experiments aufgezeichneten Resultate wiederum funktionieren anschliessend als autonome und souveräne Bilder. Diese Bilder sind chronologisch gesehen zwar zuletzt entstanden und somit ein Endprodukt, doch beanspruchen sie gegenüber dem Prozess, dem sie ihre Existenz verdanken, keine Überlegenheit: Konzeptuelle und performative Aspekte sind ebenso Teil der Werkform wie bildnerische.
Das Dreigestirn von Aufzeichnung, Aufzeichnendem und Aufgezeichnetem ist in zwei Arbeiten präsent, die in der Kunsthalle im Zentrum stehen. TRIKLANG (2012/2018) beinhaltet ein selbst gebautes Streichinstrument, genannt Ohrmeter, mit welchem geografische Distanzen in Tonhöhen übersetzt werden. In Kollaboration mit dem Dresdner Komponisten Peter Andreas nahm Wehrli 2012 eine akustische Vermessung Sachsens vor, und zwar auf der Grundlage des 1862 von Christian August Nagel erstellten Triangulationsnetzes. An jedem der darin verzeichneten 36 Messpunkte wurden die kreisum auf dem Ohrmeter gespielten Distanzen audiovisuell aufgezeichnet, wodurch jeder Punkt eine einzigartige Melodie erhielt, die von der Künstlerin Windrosenpartitur betitelt und als Notenblatt konserviert wurde. In Sonnenzirkel – Rhein (2017) reiste eine mit Fotopapier bestückte Lochkamera an zehn verschiedenen Tagen auf dem Rhein von Sargans nach Buchs und fotografierte die Sonne. Die zehn entstandenen Belichtungen zeigen kreisförmige Aufzeichnungen, wobei nicht etwa die Sonne selbst, sondern die Drehung des Flosses um die eigene Achse für diese Kreisform verantwortlich ist. Neben TRIKLANG und Sonnenzirkel – Rhein ist in der Kunsthalle ausserdem die Videoarbeit Den Horizont in der Hand halten (2017) zu sehen.

Oliver Kielmayer