Rana Hamadeh

 

Can You Pull in an Actor With a Fishhook or Tie Down His Tongue With a Rope?

13. Januar – 24. Februar 2019

Die Arbeit besteht aus einer raumgreifenden, kakophonischen 8-Kanal-Soundinstallation sowie einem Skript, das auf 3 synchronisierten LED-Bändern kontinuierlich läuft. Ausgangspunkt ist eine Fragestellung, die aus früheren Arbeiten stammt und sich damit beschäftigt, inwiefern man Gerechtigkeit daran bemessen kann, wie umfassend jemand Zugang zu dramaturgischen Mitteln der Repräsentation hat.
Die Frage stellte sich ursprünglich in Zusammenhang mit Gerichtsverhandlungen und wurde Teil eines persönlichen Lexikons, das im Rahmen des Langzeitprojekts The Alien Encounters Project allmählich entstand: Darin geht es um ein Neudenken der Beziehungen zwischen Zeugenschaft, Gerechtigkeit, Legalität, Theater, Militarismus, Arbeit und Staat.
Die Arbeit wird durch die mündliche Überlieferung des shiitischen Aschurarituals strukturiert und untersucht und kommentiert dessen politische, militärische und legale Ausdrucksformen innerhalb des syrisch-libanesichen Kontexts. Im jährlichen Ritual der Aschura bezeugen die Trauernden in Form einer theatralischen Nacherzählung die verbrecherische Ermordung des Imam al Hussein (626 – 680), einem Enkel des Propheten Mohammed und Inbegriff des Unterdrückten. Die in der Aschura angewandte Erzähltradition dient in der Arbeit als dramaturgische Struktur und soll eine neue Lesart staatlich ausgeübter Gewalt und deren legalen Organen ermöglichen. Indirekt geht es um Machstrukturen der syrisch-libanesischen Politik, um Ciceros Reden, um das Entstehen von Baath Partei und Hizbollah sowie die Ermordung meines Grossvaters Hussein Mroué, der im Schrein der Moschee Sayyeda Zainab in Damaskus begraben liegt. Die Arbeit dramatisiert die Logik, mit welcher ein militantes Theaterritual in den letzten Jahrzehnten in eine militaristische Form überführt wurde, und sie versucht zugleich eine Sprache des Ausbrechens und einen Diskurs der Befreiung anzubieten.
Die Soundinstallation decodiert und recodiert, sie ordnet und choreographiert Emotionen, Techniken und Mechanismen der Aschura-Zeremonie. Dabei verweist sie auf sehr zeitgenössische Fragen: Was bedeutet es, selber nicht nur legales, sondern auch Zeugnis gebendes Subjekt zu sein? Was bedeutet es, Gerechtigkeit in einem Skript niederzuschreiben, sie einzustudieren, zu sprechen, zu erzählen, zu inszenieren? Sie zu beweinen und zu besingen, sie zu choreographieren, sie gleichzeitig zu performen und zu betrachten?
Die gesamte Komposition basiert ausschliesslich auf der Stimme der Solistin Carolina Daish, die das Skript, eine freie Adaption des Ta’ziye, intonierte, mit ihrer Stimme quasi überschrieb und neu ordnete. Daran anschliessend wurde ihre Intonation mittels Logik und Struktur des Skripts erneut überarbeitet und komplett neu arrangiert.

Rana Hamadeh