Sofa- und Medienlandschaft
reaktivierungen, Originale, Periodika, Trouvaillen
18. April – 27. Juni 2021
Als Jubiläumsprojekt lösen sich im Oberlichtsaal vier ‚historische‘ Einzelausstellungen ab, daneben offeriert die Sofa- und Medienlandschaft im Seitenlichtsaal jeweils ein Angebot zur vertiefenden Auseinandersetzung mit den 1980er Jahren. Nach Fokus auf die Jugendunruhen in Zürich und Winterthur (Rebel Video / Heinz Nigg und Aleks Weber neben Bendicht Fivian), auf den Lauf der Dinge im Kunstbetrieb (Peter Fischli / David Weiss und Hans Josephsohn neben Adrian Schiess) sowie auf Emanzipation und Punk (Zorn und Zärtlichkeit von Elisabeth Kübler und LiLiPUT neben Klaudia Schifferle) wird neben Franz Erhard Walther die vierte Parallelaktion präsentiert.
„Ihr seid das Hochgebirge, da kommen wir nicht drüber, also laufen wir drum herum“ erklärte der Student Martin Kippenberger seinem Professor Franz Erhard Walther und produzierte auf diesem Umweg einen Bücherberg, welchen Christoph Schifferli Band für Band zusammentrug und der Sofa- und Medienlandschaft zu Verfügung stellt. Kippenberger produzierte 149 Künstlerbücher, muss aber in dieser Disziplin seinem Kunstprofessor den Vortritt lassen. Aktuell werden schon über 160 Publikationen zum Werkschaffen von Franz Erhard Walther gelistet, von denen in der Kunsthalle nur eine elementare Auswahl aufliegt. Eine weitere Publikation, welche die Bedeutungen von Johanna Walther und Susanne Walther im Werkschaffen von Franz Erhard Walther würdigt, ist geplant. Aus diesem Material wird ein Gespräch der zentralen Frauen im Leben von Franz Erhard Walther als Videoaufzeichnung wiedergegeben.
„Kunst und Antikunst – Provokation als Lebenselement der Gesellschaft“: An dieser These schieden sich 1970 in einer vom westdeutschen Fernsehen produzierten und von Wieland Schmied moderierten legendär hitzigen Debatte die Geister von Max Bense, Max Bill, Joseph Beuys und Arnold Gehlen. Zu dieser Videopräsentation eine Fussnote: Im Wintersemester 1974/75 gehörten Max Bense, Joseph Beuys, Max Bill, Bazon Brock und Franz Erhard Walther gleichzeitig zum Kollegium der Hochschule für bildende Künste in Hamburg.
Wohl als Provokation empfand ein lokaler Kunstkritiker die 1989 von Christoph Schenker in der Kunsthalle Winterthur kuratierte Gruppenausstellung igitur und argwöhnte gar „Terror der Dummheit“. Folglich willkommener Anlass für eine Reminiszenz mit Originalen der beteiligten Künstler Ian Anüll, Max Bühlmann, Urs Frei, Ugo Rondinone, Christoph Rütimann, Adrian Schiess, Can Yasargil und Daniel Zimmermann neben Dokumenten (Diapositive, Fotografien, Korrespondenzen, Zeitungsberichte) aus dem privaten Archiv von Christoph Schenker.
Friedrich Dürrenmatt (5. Januar 1921 – 14. Dezember 1990) hielt am 22. November 1990 im GDI in Rüschlikon die Laudatio auf den tschechoslowakischen Staatspräsidenten Václav Havel als dieser mit dem Gottlieb Duttweiler Preis geehrt wurde. In der Dämmerung zum 700. Geburtstag der Eidgenossenschaft persifliert Dürrenmatt das Bild der freien Schweiz angesichts der bedrohlichen „Aktenberge, welche „die Gefängnisverwaltung (...) von jedem anlegen liess, von dem sie vermutete, er fühle sich gefangen und nicht frei“. Zur Erinnerung: Am 22. November 1989 offenbarte die Parlamentarische Untersuchungskommission (Vorsitz Moritz Leuenberger) zur Aufklärung der Umstände des Rücktritts von Bundesrätin Elisabeth Kopp als Beifang die Tatsache der realen Existenz eines klandestin angelegten Aktengebirges dem arglosen Schweizervolk.
Im Februar 1991 veröffentlichte der Gemeinderat von Zürich den Bericht ihrer untersuchenden Kommission zum Staatsschutz der Stadt Zürich. Diese Pflichtlektüre geben wir zur Erinnerung an das 1980er Jahrzehnt gerne mit auf den Weg. Und das zürichblaue Büchlein lässt sich auch als Legende zur Zeitreise von 1980 bis 1989 auf zehn Plakaten mit jeweils 36 SW-Fotografien von Gertrud Vogler lesen, die nun mit den drei letzten Bilderbögen ebenfalls endet.
Werkbeispiele von Max Bill, Renate Bodmer, Claudio Conte, Bendicht Fivian, Leiko Ikemura, Hans Josephsohn, Adrian Schiess, Klaudia Schifferle, Franz Erhard Walther und Aleks Weber, Literatur zur Bewegung und Kunstszene der 1980er Jahre, Trouvaillen aus dem Antiquariat von Ulrich Harsch, diverse Periodika (Der Alltag, Der Bund, Du, Kunstforum International, Noema, Parkett), Konzertplakate der Roten Fabrik, Bild-, Text- und Tonspuren von Bazon Brock, Joseph Beuys, Niklaus Meienberg und Wolfgang Neuss sowie das Videospiel Donkey Kong 3 von Nintendo runden Angebot ab.
In gelöster Stimmung einer „Trauer der Vollendung“ des Jubiläumsparcours bedankt sich das kuratierende Kollektiv bei Christoph Schenker, Christoph Schifferli, Stefan Länzlinger (Schweizerisches Sozialarchiv) und Ulrich Meinherz (Kesselhaus Josephsohn) sowie bei allen Leihgeberinnen und Leihgebern für ihre wertvolle Unterstützung. Die finale Metamorphose der Sofa- und Medienlandschaft ist parallel zur Ausstellung von Franz Erhard Walther geöffnet.